TAMARA ŠTAJNER author | violist

Die Laudatio von Maren Jäger und Dagmara Kraus zum Hauptpreis beim Lyrikpreis Meran 2024:

Durch diese Gedichte streicht der Wind wie übers Karstland in der poetischen Miniatur, in der die Insel Susak Gedicht wird; durch sie rauscht das Meer wie in der Adria zwischen den Inseln der Kvarner Bucht, klingen die Sprachen, die dereinst eine waren.

Auf engstem Raum findet sich ein beglückendes Klang-, Bild-, und Farbenspektrum in diesen Gedichten , die mal tonlos flüsternd auftreten (senza voce), mal eigensinnig, ostinato; mal lautstark, mit Elvis´Jailhouse Rock.

Und wie in stummer Lektüre die Diakritika über den Buchstaben des Slowenischen in unsere Augen fallen, so klingen für unsere Ohren die fremden Laute der konsonantenreichen und hier doch so melodischen Sprache - "pikčasta ptička v pikčasti kletki" - mag man sie verstehen oder ihre Bedeutung ahnen. 

Dieser Zyklus folgt der Mutterlinie und der Vaterlinie, überblendet Zeiten und Orte. Aber indem er alle Mittel des Sprache virtuos nutzt, erzeugt er innerhalb der historischen Tiefenschichten größte Sinnlichkeit und Klarheit. Nicht mit Namen werden die Personen genannt, nicht die Gewalt, das Grauen, das die Geschichte Jugoslawiens birgt - doch gerade dadurch werden sie erkennbar, wiedererkennbar: der Großvater, der Steinmetz, ist ein "sisyphus am gestade", die Gefängnisinsel Goli otok "titos hawaii".

Kunstvoll gefügt ist diese poetische Familienarchäologie, durch die nicht nur akustische, sondern auch optische Motive geführt werden. Durch die Gedichte scheint das ausbleichende Adrialicht, zieht der "rauch aus hundert grills"; sie sind punktiert und gepunktet; es pünktelt, tüpfelt und tröpfelt in ihnen; Punkte, Flecken und Male sind die unveränderlichen Merkmale der Frauen, Muttermale, nach dem altbalkanesischen Sprichwort: "bekommt die schwangere nicht was sie will / so wird das kind viele punkte haben."

Die kompositorische Kunst reicht bis zu den zwei von Clarice Lispector geborgten Motti, die den Zyklus einfassen wie ein Ring ein Juwel und das Thema der genealogischen Verstrickung eröffnen und beschließen. 

Herkunft beginnt sempre da capo, und die Suche nach ihr immer von vorn - auch wenn die Schale des Eis am Ende zerbrochen wird und das Ich ins Offene entlässt.



Die Laudatio von Brigitte Schwens-Harrant zum KELAG-Preis für den Text "Luft nach unten" bei den 48. Tagen der deutschsprachigen Literatur:

Geschichten von Helden und Unrecht, die im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens entstanden sind, haben sich in die Familien eingeschrieben und lassen niemanden unbehelligt. Von Generation zu Generation werden Gewalt und Schmerz weitergereicht. Der Körper wird zum Symptom, durch das eine Geschichte von Verlust und Zersplitterung lesbar wird. Kein Ende in Sicht. Es geht immer weiter. Oder doch nicht?

Wir hörten eine Rede an die Mutter, die diese gar nicht hört. Wir lesen den Versuch, Wege zwischen den Muttermalen zu finden, mit dem, was mitgegeben wurde, umzugehen, die Punkte zu verbinden. Wie ähnlich sind die Konstellationen für Mütter und Töchter? Und wer hört diese Rede, die dringend gehört werden sollte?

Mit Wut und Zärtlichkeit, Wut und Sehnsucht, Wut und Liebe lässt Tamara Štajner in „Luft nach unten“ in unterschiedlichen Klangbildern, in unterschiedlichen Tempi und Tönen teilhaben am Ausgraben von Wurzeln und an der dringlichen Suche nach einer „Konstellation fürs Leben“ und zeigt diese – wie ihre Vorgängerin Ingeborg Bachmann – als eine Sache auch der Sprache und als keineswegs private Angelegenheit.



»Wie der Text Gewalterfahrungen und Schmerz in Worte fasst, wie er die Ausgeliefertheit und Unsicherheiten der Protagonistinnen an Personen und Projektionen idealer Weiblichkeitsmuster erzählt, lässt nicht kalt. Es dürfte keine Leserin geben, die nicht in mindestens einer der drei Hauptfiguren eigene Erfahrungen wiedererkennt. Geschickt ist auch, wie die Autorin das Geschehen mit Filmen von Jean-Luc Godard, einer Videoarbeit von Taryn Simon und mit Referenz an die Musik verschränkt und zeigt, wie die Kunst Einfluss auf die Selbstwahrnehmung, das Leben nehmen kann.« 

Beate Tröger, Deutschlandfunk Büchermarkt



„Dass diese schwere Geschichte so leicht daherkommt, liegt sowohl an der lyrischen und metaphernreichen Sprache der Autorin als auch an der raffiniert komponierten Verschränkung der Erzählstränge. Kein Wunder, ist die Slowenin Štajner doch auch ausgebildete Musikerin, was sich an diesem vielschichtigen und poetischen Debütroman unschwer ablesen lässt.“

Karin Waldner-Petutschnig, Kleine Zeitung


"Obwohl die Autorin schwierige Themen verhandelt, hat sie für ihren Roman eine leichte, unterhaltsame Sprache gewählt. Es ist eine tiefgründige Geschichte mit Erkenntnissen darüber, was Schwangerschaft auch in unserer scheinbar emanzipierten Gesellschaft für Frauen bedeuten kann."

Sara Maleš, SWR Kultur


"Alles könnte zum Weinen sein, aber allein das Tempo der Turbulenzen sorgt schon für heitere Leichtigkeit - die sich noch steigert durch das wie Musik beflügelnde Erzähl-talent der aus Slowenien stammenden, in Österreich lebenden Autorin."

Buchjournal


"Beachtliches Romandebüt." /.../ 

Sieht man sich ihren Roman an, erkennt man bald, dass sie nicht nur etwas zu erzählen hat, sondern auch von besonderem Formbewusstsein geleitet ist. Gut möglich, dass so, wie die Erzählstränge miteinander verschränkt sind, sich musikalisches Denken einmischt." /.../

„Also die altbekannte Geschichte, wie Frauen zu Opfern gemacht werden und unter Unterdrückungsfantasien von Männern leiden? Da haben wir die Rechnung ohne Tamara Štajner gemacht. Sie zeigt wenig Interesse, uns Frauen als arme Engel des Guten vorzustellen, sie können ausgesprochen unangenehme Saiten aufziehen, wenn sie um ihre Freiheit fürchten. Und nur miese Kerle finden wir unter Männern auch nicht, bei Štajner dürfen sie Ihre Widersprüchlichkeit ausleben.“

Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten


"Mit beeindruckender Feinfühligkeit und in schöner Sprache spricht Tamara Štajner in ihrem Roman wichtige Themen an, zeigt fesselnde Lebenswege, malt vielfältige Stadtportraits und weist auf tiefsinnige Diskurse über die essenziellen Facetten weiblicher Autonomie hin."

Sandra Falke, Literarische Abenteuer


"Tamara Štajner zeigt mit ihrem Gedichtband Schlupflöcher, dass sich in einem Buch gleich mehrere Kunstformen nahtlos zusammenführen lassen."

Erwin Uhrmann, Kulturmagazin der Presse


"Als Meisterin der Tonlagen zeigt sich auch die slowenische Lyrikerin Tamara Štajner in ihrem Debüt-Gedichtband Schlupflöcher. Dieser Band ist ein synästhetisches Vergnügen, denn die meisterhafte Viola-Spielerin, Komponistin und Performerin hat mehrere Gedichte ihres Bandes mit Partituren versehen, sodass man diese poetischen Notate auch als Noten lesen kann, inklusive Anweisungen für Tempo und Betonung."

Hellmuth Opitz, DAS GEDICHT blog


"Der Debüt-Gedichtband Tamara Štajners ist ein virtuoser Auftakt der Autorin."

Ingrid Isermann, LITERATUR&KUNST / a magazine of literature + art



"Tamara Štajner ist eine vielseitige Künstlerin, die sich schreibend in mehreren Sprachen bewegt und die viele ihrer Gedichte mit Klang, Musik und Bildern anreichert. Sie bewegt sich auch über die Ränder der Sprache hinaus in Atmosphären, die durch Töne, Geräusche, QR-Codes erzeugt werden. So ist ihr im Frühjahr 2022 erschienener Debut-Gedichtband „Schlupflöcher“ im Grunde eher wie eine Partitur aufzufassen, zeitigt dessen Lektüre eine Erfahrung, die andere Effekte hervorruft, als der Besuch einer Lesung bzw. Performance der Autorin, Musikerin und Performerin, die man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn sich die Gelegenheit zu einem Besuch bietet.  [...] Das Ich dieser Gedichte verfügt über ein hochempfindliche Sensorium und ein virtuoses Instrumentarium, die Lektüre von „Schlupflöcher“ macht neugierig, wie sich dieses Werk weiter fortschreiben wird."

Beate Tröger, Signaturen Magazin


"Štajners Wandern zwischen den verschiedenen Künsten durchdringt auf einzigartige Weise ihre Gedichte. Ihre musikalische Versiertheit nutzt die in Slowenien geborene Autorin, um das lyrische Sprechen der Musik, die deren eigentliche Heimat ist, anzunähern und so eben jene Grenzen zu verrücken, die laut Grossman und Lerner dem Dichter bedeuten: Hier kommst du nicht weiter."

Christine Lauer, Tageblatt (LU)


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